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Aktuell: Zum Tod von Michael Gielen

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Stadt Frankfurt am Main, Foto Wachendörfer

Zum Tod von Michael Gielen

Ensemble Modern trauert um einen großen, widerständigen und kompromisslosen Musiker

Die erste Begegnung des Ensemble Modern mit Michael Gielen fand Anfang Oktober 1989 mit einer Konzert-Tour nach Bremen, Hannover, Bonn, Berlin und Frankfurt statt.
Es war ein Programm mit der ›Sinfonie‹ von Webern, Gielens eigener Uraufführung ›Pflicht und Neigung‹, Karlheinz Stockhausens ›Kontrapunkte‹ und der ›Kammersinfonie‹ von Schönberg.
Das Ensemble Modern befand sich damals noch in einer Art Aufbauphase, in der jedes Mitglied zwar seinen Platz gefunden, gleichzeitig auch weiter erforschen und ausbauen wollte. Es war spannend, eines der grundstockbildenden Werke des Ensembles, die Schönbergsche Kammersinfonie, mit einem Künstler zu realisieren, der den Dunstkreis der Wiener Schule unmittelbar erlebt hatte. Gleichzeitig erlebte das Ensemble die Rauhheit und Rücksichtslosigkeit eines hochprofessionellen Dirigenten wie Gielen.
Hinsichtlich Werktreue und unbestechlichem Sachwissen kam bei diesem ersten Projekt noch die subjektive Anspannung des Komponisten dazu, der sich glasklar artikulieren konnte und vor allem auch immer seine Herkunft von der Zweiten Wiener Schule deutlich machte. Trotzdem verbarg er nicht seine Verehrung für einen Außenseiter wie Mauricio Kagel oder einem Avantgardisten wie Karlheinz Stockhausen, in dessen ›Kontrapunkte‹ Gielen unnachgiebig schnelle Tempi einforderte.
Es gab Reibereien. Dazu kam auch die innere Aufgeregtheit des Komponisten Gielen, der zunächst unzufrieden mit der Realisation seines Stückes ›Pflicht und Neigung‹ war. Doch hatte er nicht mit der schnellen Entwicklungsfähigkeit des Ensemble Modern gerechnet. In den letzten Proben wurde er zugänglicher. Die Konzerte verliefen spannungsgeladen und überraschend und wurden für jeden Beteiligten eine besondere Erfahrung.
Viel zu selten war Gielen später Gast beim Ensemble Modern, zuletzt bei der Verabschiedung von der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth mit Hindemiths ›Kammermusik 1922‹, zu der er seine Abneigung bekannte, und Schrekers ›Kammersinfonie‹, die er in großen Bögen darbrachte.
Das Ensemble Modern trauert um einen großen, widerständigen und kompromisslosen Musiker.

Hermann Kretzschmar, Ensemble Modern

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